Gern gehört, selten gesungen

Die Zofisingers eroberten mit "Unerhört" die Herzen im Sturm

Von Kurt Buchmüller, Zofinger Tagblatt  11. 9. 2012

Mit dem Adjektiv „unerhört“ lässt sich viel unter einen Hut bringen. So auch die Frechheit und den Witz im Repertoire des Gesangs-Ensembles, ebenso aber auch ihr Geschick in der gesanglichen Umsetzung des Unerhörten. Unerhört ist auch die Spitzfindigkeit im Aufspüren von Kostbarkeiten in der Schatztruhe vermeintlich vergessener Schlager. Dazu braucht es schon den Spürsinn einer Anna Merz. Sie hat schon mehrmals vergessen Geglaubtes hervor geholt und an die Öffentlichkeit gebracht. Das ist ihr auch in der schönen Musik mit den ungehörigen Texten gelungen.

Unerhört treffsichere Unterhaltung

Die „Zofisingers“ sind mehr als eine sich jedes Jahr neu formierende Gesangsgruppe mit gegenwärtig 26 Frauen und Männern. Ein unverzichtbarer Bestandteil des Chores ist die Begleitband „KULT“, bestehend aus Martin Zangerl (Klavier), Hansjörg Brugger (Violine), Christian Bertschi (Klarinette) und Felix Schlatter (Kontrabass). Das Unerhörte an den beiden ist ihre eng verzahnte Partnerschaft im effektvollen Musizieren. Ebenso unerhört ist die Eigenschaft des Chores, dass er auch über theatralisch-kabarettistische Fähigkeiten verfügt. Dies ist der Regie von Alice Tsirigotakis zu verdanken. Das zur Einleitung von der Band in schleppend-schmachtender Manier gespielte „Hang on Little Tomato“ (Pink Martini) fand ein Abbild im Auftritt des Chores. Anfänglich betraten drei über „immer diese Männer“ schwatzende und sich ereifernde Frauen die Bühne. Langsam folgte ihnen der Rest des Chores, scheinbar ziellos hin und her irrend. Allmählich kehrte Ordnung im Chaos ein. Jetzt konnte der Sprecher sein unerhörtes Vergnügen über den guten Besuch des Museums für veraltert geglaubte Musik bekannt geben und das Publikum auffordern, das ungehörige Handy abzuschalten.

Ungehöriges gehörig aufgewärmt

Nein, diese Blütenlese aus schlag(er)artiger Unterhaltungsmusik konnte niemand kalt lassen. Immer treffsicher begleitet von der Band, war „Ich wollt‘, ich wär ein Huhn“ (Peter Kreuder) aus der Vorkriegszeit zu hören. Gackernd war zu vernehmen, dass als Huhn nur vormittags ein Ei zu legen wäre um dann am Abend frei zu sein. So einfach machten es sich die „Zofisingers“ aber nicht. Sie legten an diesem Abend noch manche Eier und brüteten sie gleich zu virtuosen Gesängen aus. „Ich will einen Sechser im Lotto“ (Manfred Bühler) wurde mit einem Jubelruf dazwischen garniert und Maschen in der Frisur von Mädchen deuteten an, dass hinter „Faul sein ist wunderschön“ eine Aussage von Pipi Langstrumpf steht. „s Grätli“ des Pfannenstil Chammer Sexdeet war mit Soloeinlagen von Männerstimmen versehen. „Kein Schwein ruft mich an“ (Max Raabe) begann mit mehrmaligem „Brrrr“ und endete in einem chaotischen Geschwafel. Das alles hörte sich sehr einfach und normal an, setzte aber eine unerhörte Beweglichkeit im mehrstimmigen Chor und präzise Einsätze voraus.

Gern Gehörtes und selten Gesungenes

Zwischendurch machte die Band mit einem Medley einen Abstecher in Unterhaltungsmusik, die zum Kult geworden ist. „Harmonie in der Ehe“ (Josef Haydn) zeigte, dass die „Zofisingers“ auch mit dem Wohlklang und der Linienführung der Klassik vertraut sind. In „Männer mag man eben“ (Hans Unterweger) entstand ein kunstvolles Geflecht aus verschiedenen Stimmlagen und anspruchsvollen Rhythmen, worauf die Männerstimmen überzeugend beteuerten, dass Frauen anders sind. In einem engen Dialog zwischen Band und Chor entlud sich in „Zieh den Schuh aus“ (Roger Cicero) der Frust eines Alleskönners, der zur Hausarbeit gezwungen wird. Gänzlich ungehörig wurde es in der Ballade vom Macho (Reinhard Fendrich), der zwar ein Dudel ist, aber einen Hintern wie Apollo hat und deshalb auch Chancen bei den Frauen. Das Publikum hatte des Guten noch nicht genug und verlangte Zugaben. Eine davon war das beruhigende „Irgendwo auf dieser Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück“. So schloss das Unerhörte mit etwas gerne Angehörtem.